Was wäre, wenn ... Geld ein Verfallsdatum hätte?

Das Magazin „brand eins“ veröffentlichte in der Ausgabe 03/2024 einen Text mit dem obigen Titel. Der Verfasser Christoph Koch zitiert darin einige Aussagen aus einem Gespräch mit Professor Dr. Dr. Andreas Löffler, der an der FU Berlin Professor für Bank- und Finanzwirtschaft ist. Zitate aus dem Text sind im Weiteren hervorgehoben.

Professor Löffler ist offenbar auch den Vorschlägen von Silvio Gesell zu einer Geldreform begegnet. Leider werden im Text große Missverständnis bzgl. der Gesell’schen Geldreform deutlich. 

Zwei wichtige Funktionen des Geldes und das Sparen
Natürlich stimmt die Aussage: „Geld hat neben seiner Funktion als Tauschmittel noch eine weitere wichtige Funktion, es dient auch zur Wertaufbewahrung“. Es stimmt – und genau diese beiden Funktionen stören sich gegenseitig. Gleichzeitig können sie nicht wirken, sondern in jedem Zeitraum immer nur die eine oder die andere. Und die Tauschmittelfunktion ist eindeutig die wichtigere. Über kurze Zeiträume (Stunden, Tage, auch wenige Wochen) ist natürlich auch die Wertaufbewahrungsfunktion für eine gelingende Tauschfunktion unabdingbar. Die ganze Gesellschaft kann aber über längere Zeiträume nicht in Geld Wert aufbewahren, das gelingt nur in langlebigen Verbrauchsgütern. 

Auch die Aussage Sparen fürs Alter [sei] schwerer möglich kann man so nicht stehen lassen. Sparen egal für welchen Zweck ist ohne weiteres möglich, wenn die Gelder länger festgelegt werden. Löffler bezieht sich auf Wörgl und sagt: Die Geldhaltegebühr, „das ,Schwundgeld‘ nach dem Konzept von Gesell ... [sei] dauerhaft ... aber aus mehreren Gründen keine sinnvolle Idee.“ Er berücksichtigt dabei offenbar nicht, dass der „Schwund“, also die Gebühr, ja nur für Bargeld und Giroguthaben anfällt, nicht für längerfristig festgelegte Mittel. 

Wäre heutzutage ein Verfallsdatum überhaupt realisierbar?
Heute wäre ein Verfallsdatum kaum umzusetzen. schreibt Christoph Koch. Für Bargeld gibt es jedoch eine recht einfach umzusetzende Idee, wie die Gebühr erhoben und kassiert werden könnte: https://humane-wirtschaft.de/wie-sich-die-liquiditaetsgebuehr-systemkonform-realisieren-laesst-thomas-seltmann/ Dieser Text liegt auch in einer gekürzten Fassung vor. Für Giroguthaben reicht eine Ergänzung in der Bankensoftware. 

Konsequenzen für die Spekulation
Christoph Koch schreibt dann weiter: Würden auch Konten anteilig entwertet, könnte man in Aktien, Gold oder Immobilien flüchten Für diese Flucht bzw. generell Spekulation sind sehr große liquide Bestände erforderlich, und genau die werden ja belastet, länger festgelegte Mittel nicht, s.o. Also dämpft die Gebühr auf liquide Mittel (Giroguthaben!) die Spekulation eher. Es ist aber ganz klar, dass neben dieser Maßnahme im Geldbereich auch Maßnahmen bzgl. der Bodenordnung nötig sind (nicht nur wegen dieser Gebühr auf liquide Mittel!). Da diese Maßnahme im Geldbereich eher zinssenkend wirkt und bei sinkendem Zins bekanntlich die Bodenpreise steigen, wäre z.B. eine Bodenwertsteuer ein Mittel der Wahl.

Negativzins – ist man ihm ausgeliefert?
In einem Originalzitat von Löffler wird unterstrichen, dass man beim echten Schwundgeld keine Chance hat, dem Wertverlust auszuweichen. Wie bereits gesagt, werden nur liquide Mittel belastet. Durch längere Festlegung kann man die Belastung minimieren. Und Löffler weiter: „Ein regelmäßig verfallendes Geld ist letztlich nichts anderes als ein negativer Zins, und wenn ein Zins willkürlich festgeschrieben wird, findet der Markt immer Wege, ihn zu umgehen.“ Man kann das so sehen. Man kann aber in der Geldgebühr auch ein grundlegendes marktwirtschaftliches Prinzip sehen, nämlich die Kopplung von Kosten und Nutzen. Liquide zu sein bringt großen Nutzen. Wer gerade im Besitz liquider Mittel ist, sollte daher entsprechend der Haltedauer und Menge belastet werden, aber eben nicht bei der Haltung von Sparmitteln, also länger festgelegten Mitteln. Sie weisen nicht die Vorteile der Liquidität auf. Prof. Dieter Suhr hat diesen Gedanken sehr präzise geäußert: https://www.dieter-suhr.info/de/Publikationen/aufsaetze.html - insbesondere Nr. 51 und 52

Der Autor des Beitrags Christoph Koch fährt dann fort, reiche Menschen [sollten] gezwungen werden, ihr Geld unter die Leute zu bringen. Niemand wird gezwungen! Wer unbedingt liquide bleiben will, zahlt halt dafür – in überschaubarem Maß. Wie Prof. Suhr schreibt: sozusagen eine Zahlung für die Vorteile der Liquidität. Dieser Nutzen des Geldes wird von allen Gesellschaftsmitgliedern erbracht, nicht von den momentanen Besitzern der Liquidität. Also sollten sie auch die Kosten tragen. Auch J.M.Keynes hat diesen Gedanken für gut befunden.

Schwerkraft und Geldgebühr
Schließlich vergleicht Löffler das Vorhaben, die Menschen zur raschen Weitergabe der Liquidität oder aber zu längerer Festlegung zu motivieren, mit dem Versuch „gegen die Schwerkraft anzukommen.“ 
Umgedreht wird der Vergleich plausibel: Anstatt die spekulative Zurückhaltung durch Gebühren finanziell unattraktiv zu machen, versucht man derzeit, Investitions- und Kaufzurückhaltung durch überzogene Zinsen zu parieren. In einer Wirtschaft, die zur Sättigung neigt, künstlich Wachstum durch zu hohe Zinssätze zu erzeugen, ist der irrsinnige Versuch „gegen die Schwerkraft anzukommen.“

"Schulden, Klimawandel und wirtschaftlicher Wandel"- Anmerkungen zum Gespräch von Christoph Koch mit Professor Dr. Dr. Andreas Löffler in Brand eins
Alwine Schreiber-Martens, 26.03.2024

 

Verwendete Quellen: 
https://www.brandeins.de/magazine/brand-eins-wirtschaftsmagazin/2024/die-neue-gruenderzeit/was-waere-wenn-geld-ein-verfallsdatum-haette
https://humane-wirtschaft.de/wie-sich-die-liquiditaetsgebuehr-systemkonform-realisieren-laesst-thomas-seltmann/
https://www.dieter-suhr.info/de/Publikationen/aufsaetze.html