Von heute 50 Mrd. Euro soll es auf 70 Mrd. Euro pro Jahr hochgehen für unser Militär. Seit 2014 wurden unsere Rüstungsausgaben bereits von 33 Mrd. Euro pro Jahr um fast 50 % erhöht.
Es ist natürlich zu begrüßen, dass Deutschland mehr Verantwortung in der Welt übernehmen will. Denn mit unserem aktuellen Lebens- und Wirtschaftsstil tragen wir wesentliche Mitverantwortung für die weltweite Klima- und die daraus folgende Migrationskrise. Zahlreiche Kriege insbesondere in Afrika und im Nahen Osten werden um Rohstoffe und die damit verbundenen Einnahmen geführt, die wir finanzieren.
Eine Fairconomy würde unsere seit Jahrzehnten viel zu hohen Exportüberschüsse dauerhaft absenken, idealerweise durch die Einführung des von John Maynard Keynes in Bretton Woods schon vorgeschlagenen Bancors, also einer jährlichen Abzinsung auf Exportüberschuss-Erlöse.
Zur Austrocknung zahlreicher Kriegs-Ökonomien könnte darüber hinaus ein Lieferkettengesetz beitragen, wie es die Initiative lieferkettengesetz.de und die Initiative sicherheitneudenken.de zur Garantie weltweiter Menschenrechts-, Umwelt- und Sozialstandards und zur Sicherstellung gewaltfreier Lieferketten fordern.
Am konsequentesten würde Kriegen durch eine Bodenreform der Boden entzogen. Würden die Einnahmen aus Rohstoffen weltweit in Form eines Grundeinkommens auf alle Menschen gerecht verteilt, entfielen die Gründe für die meisten der zurzeit noch ausgetragenen Kriege.
Paradigmenwechsel in der Sicherheitspolitik
Die Gleichsetzung von Verantwortungsübernahme und Erhöhung unserer militärischen Verteidigungsausgaben überrascht auch deshalb, weil immer mehr wissenschaftliche Studien belegen, dass politische Ziele erfolgreicher ohne Gewalt, als mit Gewalt erreicht werden. Die Initiative sicherheitneudenken.de sammelt und verbreitet derartige Studien und setzt sich in Deutschland für einen entsprechenden Paradigmenwechsel ein.
Eine nachhaltige Sicherheitspolitik nimmt nicht nur unsere eigenen nationalen Interessen in den Blick, sondern auch die Bedürfnisse der Menschen in den Ländern, die angeblich unsere Sicherheit bedrohen.
Mit ziviler Krisenvorbeugung und frühzeitiger Konfliktbearbeitung könnten wir unsere Sicherheit nachhaltiger erhöhen als mit militärischer Aufrüstung. Wir sollten Verantwortung übernehmen durch die entschiedene Stärkung internationaler Organisationen wie der UNO und der OSZE, durch eine faire Außenwirtschaftspolitik und den Aufbau einer Wirtschafts- und Sicherheitspartnerschaft mit Russland bzw. der Eurasischen Wirtschaftsunion.
Angesichts der realen Bedrohung der Sicherheit durch die Klimakrise, die Covid19-Pandemie sowie zunehmend gewaltsam ausgetragene Konflikte im In- und Ausland liegt der Schlüssel nachhaltiger Sicherheit zudem in der Fort- und Ausbildung gewaltfreier Konfliktbearbeitung, im internationalen Aufbau von Vertrauen und Kooperation sowie gemeinsam kontrollierter militärischer Abrüstung. Wir können unsere Sicherheitsbedrohungen weltweit nur in Kooperation miteinander bewältigen.
In diesen Zeiten am 2%-Ziel der NATO für die Bundeswehr festzuhalten, ist unverantwortlich, also das Gegenteil von Verantwortungsübernahme.
Ralf Becker
Ralf Becker koordiniert seit April 2019 im Auftrag der Evangelischen Landeskirche in Baden die bundesweite Initiative www.sicherheitneudenken.de.
Er hat von 1994-1998 die Kampagne erlassjahr.de mitkonzipiert, gegründet und geleitet, die als kirchlich-zivilgesellschaftliches Bündnis 1999 einen G8-Gipfelbeschluss zur Entschuldung von Entwicklungsländern erreichte.
Von 1998 bis 2001 arbeitete er für die Studie Zukunftsfähiges Deutschland, danach für die Initiative Zukunft des Katholisch-Sozialen Instituts Bad Honnef. Seit 2001 engagiert Ralf Becker sich in der INWO und der CGW, war wesentlich am Aufbau der Regiogeld-Initiativen im deutschsprachigen Raum und an der Entwicklung des Club-of-Rome-Berichts »Sustainability and Money« beteiligt und wirkt aktiv im Monneta-Netzwerk mit. Von 2012 bis Mitte 2019 koordinierte er den Verein gewaltfreihandeln.org, der bundesweit Friedensfachkräfte ausbildet.
Dieser Beitrag erschien in der FAIRCONOMY 3/2020