Baden-Württemberg geht damit als erstes Land einen eigenen Weg und nutzt die Länder-Öffnungsklausel des Bundes für eine innovative und bürokratiearme Bodenwertsteuer. Im April 2018 hatte das Bundesverfassungsgericht die bisherige Grundsteuer für verfassungswidrig erklärt.
Gerade noch fristgerecht wurde Ende 2019 auf Bundesebene ein Grundsteuerreformgesetz verabschiedet. Der Kompromiss besagt, dass die Bundesländer auch andere Modelle als das Bundesmodell wählen können. Die Umsetzung muss bis Ende 2024 gelingen, denn ab 1. Januar 2025 muss die reformierte Grundsteuer angewandt werden.
Baden-Württemberg hat Vorbildfunktion
Baden-Württembergs Finanzministerin Edith Sitzmann (Bündnis 90/Die Grünen) begrüßt die verwaltungsfreundliche eigene Lösung: »Mit unserem Bodenwertmodell haben wir ein innovatives, neues Konzept entwickelt, mit dem auch die kommunalen Landesverbände zufrieden sind. Es ist transparent und einfach, nachvollziehbar und bürokratiearm.«
Die »modifizierte Bodenwertsteuer« basiert im Wesentlichen auf nur zwei Kriterien: Grundstücksfläche und Bodenrichtwert. Für die Bewertung des Grundstücks werden beide miteinander multipliziert. Auf das Ergebnis wird dann eine gesetzlich festgelegte Steuermesszahl angewandt – modifiziert nach der Nutzung: Für Grundstücke mit überwiegender Wohnnutzung gilt ein Abschlag von 30 Prozent. »Es ist uns wichtig, dass Wohnen im Durchschnitt nicht teurer werden darf«, sagte Sitzmann. Neu geschaffener Wohnraum löst keine höhere Besteuerung aus, denn die Gebäudefläche spielt im Gegensatz zum Bundes- oder Flächenmodell keine Rolle.
Allein in Baden-Württemberg müssen bis 2024 5,6 Millionen Objekte neu bewertet werden. Die einfachen Kriterien werden dem Land einen Vorteil gegenüber anderen Bundesländern verschaffen. So können die baden-württembergischen Kommunen weiterhin mit verlässlichen Einnahmen planen. Indem sie eigene Hebesätze auf die Grundsteuermessbeträge anwenden, können sie die Gesamthöhe der Kommunalsteuer noch selbst beeinflussen.
Entscheidung in NRW noch offen
Nordrhein-Westfalen hat noch keine Entscheidung zur Grundsteuer getroffen. Auch hier würde eine Bodenwertsteuer Sinn machen. Im dichtbevölkerten NRW sind Grundstücke und Wohnraum besonders knapp. Zudem rechnet der Städte- und Gemeindebund NRW durch die Corona-Pandemie mit Ausfällen von mehr als zwei Milliarden Euro jährlich bei der Gewerbesteuer und den gemeindlichen Anteilen an den Steuern von Bund und Land. Auch die aufgrund der zunehmenden Arbeitslosigkeit steigenden Sozialausgaben reißen tiefe Löcher in die kommunalen Haushalte.
Perspektivisch könnten mit einer Bodenwertsteuer die Kommunalfinanzen auf eine sichere Basis gestellt werden (s. S. 4). Doch die schwarz-gelbe Koalition ist sich nicht einig, wie die Grundsteuer ab 2025 aussehen soll. Die CDU hat an der Ausgestaltung des Bun desmodells mitgewirkt. Die FDP will dagegen von der Öffnungsklausel Gebrauch machen und ein Flächenmodell einführen, das zwar auch die Gebäude in die Besteuerung einbezieht, die Werte der Immobilien jedoch außen vorlässt.
Die oppositionellen NRW-Grünen haben vorgeschlagen, wie in Baden-Württemberg eine reine Bodenwertsteuer einzuführen, die die Gebäude ausklammert und den Boden abhängig vom Wert besteuert. Im Vorfeld der Behandlung des Grünen-Antrags hat die INWO ein Schreiben an Finanzmister Lutz Lienenkämper (CDU) und an die Mitglieder des Haushalts- und Finanzausschusses gerichtet, um wichtige Argumente beizusteuern (siehe S. 5).
Zeit zum Umsteuern!
Wo die Würfel in Sachen Grundsteuerreform noch nicht gefallen sind, bleibt es weiterhin wichtig, Bürgermeister und andere Multiplikatoren zu kontaktieren und über die Vorzüge der Bodenwertsteuer zu informieren. Gute Argumente gibt es bei Grundsteuer: Zeitgemäß! unter www.grundsteuerreform.net. Nach wie vor empfehlen wir auch den sehr guten Reader, der im Verlag Thomas Kubo erschienen ist.
Baden-Württemberg richtet sich mit der Einführung der Bodenwertsteuer zukunftsfähig aus. Das kann jedoch erst der Anfang sein. Das Steuersystem muss, bildlich gesprochen, vom viel zu kompliziert denkenden Kopf auf solide, tragfähige Füße gestellt werden.1
Beate Bockting
Dieser Beitrag erschien in der FAIRCONOMY 3/2020
[1] Wie man zukünftig die Bodenwertsteuer stärken und andere Steuern durch die Bodenwertsteuer ersetzen kann, beschreibt Dirk Löhr gemeinsam mit dem ehemaligen rheinland-pfälzischen Finanzminister Carsten Kühl im Jahrbuch für öffentliche Finanzen, 2. Halbband 2020.
http://www.laenderfinanzbericht.de/jahrbuch-2020.html